Die Liaison zwischen Kunst Wirtschaft Hans-Jörg Clement im Gespräch mit Janina Roider

H-J C.: Die Liaison zwischen Kunst und Wirtschaft ist eine so wenig Natürliche wie die zwischen Kunst und Politik. Die Kreativen suchen heute viel selbstverständlicher nach einer Kooperation mit der Wirtschaft als noch vor wenigen Jahren. Was kann die Wirtschaft leisten, wozu die Kunst allein nicht in der Lage ist? Und umgekehrt?

J.R.: Ohne Wirtschaft gibt es keine Kunst und vice versa braucht die Wirtschaft auch kreative Köpfe, die ohne Betriebsblindheit neue Impulse geben und veraltete Sichtweisen aufbrechen. Beide können voneinander lernen. Gleiches gilt für die Politik.

Künstler:innen sind Seismograf:innen des aktuellen Zeitgeistes, die der Welt neue Sichtweisen aufzeigen können. Künstlerisches Schaffen ist losgelöst von funktionalem Denken und vor allem von Zweckgebundenheit.

Deshalb bietet sie einen optimalen ein Nährboden für einen Pioniergeist, von dem alle Bereiche profitieren können.

Dieses Potential haben auch immer mehr Unternehmen aus der Wirtschaft erkannt. Es gehört fast zum guten Ton einen „Artist“ im Team zu haben, dem früher eher eine alienesque Sonderstellung in der Gesellschaft eingeräumt wurde.

Man hat immer die Wahl, ob man Chancen und/oder Gefahren in neuen Entwicklungen sieht.

Wer hätte vor einem Jahr noch gedacht, dass digitale, verpixelte Sammelbilder zu Statussymbolen und Eintrittskarten zu einem elitären Metaversum werden, die für Unsummen getradet werden? Die Qualitätsfrage mal außen vorgelassen.

  • Die würde mich aber interessieren. Wie verändert sich vor diesem Hintergrund das Qualitätsverständnis? Müssen und können Qualitätsstandards nicht gesichert sein?

Kunst galt jeher als Investment, in Zeiten von Kryptowährungen ist das wirtschaftliche Interesse daran exponentiell gestiegen. Wo es ein Interesse gibt, gibt es auch Geld und Kauflust. Die Nachfrage bestimmt bekanntlich den Preis und leider nicht immer die Qualität. Es gab auch immer schon große Qualitätsunterschiede, nur waren die vielleicht etwas weniger sichtbar.

Angetrieben von den neuen Entwicklungen wächst ein neues Selbstbewusstsein der Künstlerschaft, die sich antiquierten Grenzen widersetzt und am Tisch der großen Player mitspielen will. Plötzlich werden Kooperationen in die Künstler Vita mitaufgenommen. Why not?

Wenn sich Kunst und Wirtschaft gegenseitig befruchten, ist das, meiner Meinung nach, erst einmal positiv. Die richtige Haltung und Intention zählen.

Wir werden den Begriff „Kunst“ in der nahen Zukunft viel weiterdenken müssen.

  • Krypto-Währungen, NFTs, Blockchain – ist das der Beginn einer revolutionären Veränderung, die das Kunstwerk zum Spielball handfester Marketing- und Profitspekulationen macht?

Die Veränderung hat bereits begonnen, das ist aufregend und zugleich erschreckend. Wenn Künstler: innen für ihr Werk honoriert werden, sehe ich darin erstmal etwas Positives.

Für Künstler:innen bietet es außerdem die Möglichkeit ihre Werke fälschungssicher zu machen. Bei Weiterkauf des Werks, verdienen Künstler:innen sogenannte „Royalties“ und können monetär an ihrem eigenen Erfolg teilhaben. Das Spiel kann also auch für uns interessant werden.

Es wird viel über diese Themen fabuliert, vor allem über NFT Kunst, ohne differenziert darüber zu sprechen. Ein Non-fungible Token steht nicht nur für mutierte Affenbilder, deren Qualität strittig ist.

Es wäre so, als würde ich behaupten, dass ich grundsätzlich keinen Sport mag. Dabei gibt es sehr unterschiedliche Sportarten, die ich damit unter einen Kamm schere. Vielleicht gehe ich gerne Joggen, finde aber Golfen langweilig.

Die Frage ist, wer ist wirklich der Spielball? Ich denke, mit einer überlegten Strategie, kann man als Künstler:in partizipieren oder zumindest eine neue Sportart erlernen. Let´s see!

All diese neuen Technologien bringen unterschiedliche Entwicklungen einher, die man genauer unter die Lupe nehmen sollte, bevor man sich darüber ein Urteil macht. Die NFT Kunst ist noch so jungfräulich, dass erst ein Kanon gebildet werden muss.

  • Ist das für den durchschnittlich Kunstinteressierten überhaupt noch greifbar? Koppelt sich da nicht etwas ab – oder zeugt allein diese Fragestellung schon von hoffnungsloser Antiquiertheit?

Ich bin der Meinung, dass der „durchschnittliche Kunstinteressierte“ nicht alle Spielregeln kennen muss. Es ärgert mich nur, wenn unqualifizierte Urteile aus Unwissenheit gefällt werden.

Die Kunstwelt ist so breitgefächert, eine „hoffnungslose Antiquiertheit“ sichert den Werteerhalt eines kollektiven Verständnisses von Kunst. Vielleicht sind das die Grundregeln.

Als Künstlerin halte ich es für sehr wichtig, den aktuellen Zeitgeist zu verstehen, um am großen Diskurs teilzunehmen und Denkanstöße zu geben. Was daraus dann resultiert bleibt ja völlig offen.

  • In den Achtzigern gab es schon einmal eine Entwicklung, die zu einem bis dahin ungekannten Ausmaß neue Klientelen erschloss, die aus unterschiedlichsten Gründen – vor allem denen der gesellschaftlichen Anerkennung – zu einem gewaltigen Boom führten, der vor allem eines war: spekulativ.

Profitspekulationen sind in der Kunst nichts Neues, nur die Beträge beunruhigen. Und ja, ich habe auch eine Zeit gebraucht, um zu verstehen, warum hässliche JPGs plötzlich für Millionenbeträge gekauft werden.

Es gibt eine neue, sehr junge Gesellschaftsschicht, die in den letzten Jahren durch geschicktes oder glückliches Trading praktisch über Nacht zu unfassbarem Reichtum gekommen sind. Die Profitspekulationen haben mit der Kryptomanie somit einen neuen Höhepunkt erreicht und eine neue Sammlerschaft hervorgebracht. Auch das Denken über Werte und Wohlstand ist im Wandel.

In einer unaufhaltsam aufkommenden Avantgarde sammeln immer mehr Menschen statt teuren, haltungsintensiven Prestigevehikeln, die die meiste Zeit in der Garage stehen, lieber digitale Statussymbole, die ihnen in einer wachsenden digitalen Welt, ein viel größeres, globales Publikum und Ansehen bescheren.

  • Und wo bleibt die Auseinandersetzung, das Gespräch zwischen Sammler:in und Künstler:in über den Inhalt der Kunst?

Die inhaltliche Auseinandersetzung gibt es nach wie vor in unterschiedlichem Ausmaß und Qualität. In dem der Begriff „Kunst“ oder der Titel „Artist“ so mannigfaltig instrumentalisiert wird, ist der Diskurs vielleicht sogar viel größer als je zuvor, vorangetrieben durch die Digitalisierung. Längst ist nicht mehr nur das Atelier oder die Galerie der geschützte Ort dafür.

Die vielen neuen Plattformen bieten auch Chancen, wenn man die Spreu vom Weizen trennen kann. Durch neue Technologien wurden viele Barrieren überwunden, von denen einen Andy Warhol nur hätte Träumen können.

  • Wie findest Du zu einer Verortung zwischen Tradition und Innovation?

Das ist ganz einfach. Ein:e Fußballer:in muss auch erstmal die Grundtechniken beherrschen und eine ausreichende Kondition haben. Auch das Erlernen von Spielstrategien ist wichtig. Ohne dieses Fundament bleibt es amateurhaft.

Oder gab es schon mal einen völlig untrainierten Weltmeister im Sport? Das Rad muss nicht neu erfunden werden, stattdessen sollte man immer an der Technik feilen.

Für die Kunst gilt genau dasselbe.

  • Bleibt der Glaube an die Aura des Originals und des sinnlichen Erlebnisses beim Anblick eines Kunstwerks am Endes des Tages kitschige Romantik, die Illusion eines Idylls?

Meine Arbeiten beschäftigen sich genau mit dieser Frage, in dem ich zwischen digitalen Drucktechniken und altmeisterlichen Herangehensweisen changiere. Dabei verwende ich visuelle Codes aus Kunstgeschichte und Kommerz, die miteinander verschmelzen.

Es stellt sich die Frage, was empfinden wir als Original? Hat es mit Haptik, dem Geruch von Ölfarbe oder einer malerischen Signatur zu tun?

Oder wird der Glaube an das Original in Zukunft an ein kryptografisch festgehaltenes Echtheitszertifikat gekoppelt sein? Besonders romantisch ist das sicher nicht.

Einst galt das Kunstwerk als Fenster zur Welt, da war die Sehnsucht nach dem Idyll sicher größer. Es wird immer unterschiedliche Haltungen und diametrale Bewegungen geben, das macht Kunst so spannend und vielfältig.

Ich denke, die Aura eines Originals hängt viel mit der Geschichte des Werkes, des Urhebers und der Entstehung zusammen. Sinnlichkeit ist ein schönes Beiwerk.

  • Du hast die Malerei als kreative Ausdrucksweise gewählt. In den schon erwähnten Achtzigern kam es nach einer Übersättigung und Überforderung durch aufgeblähten Überbau zu einer Rückkehr der Malerei, die offenbar dem Bedürfnis der Rezipienten entsprach. Wie reagieren die Kunstinteressierten auf Deine Malerei „der neuen Möglichkeiten“?

Meine Malerei ist eine Symbiose aus Tradition und technischer Verspieltheit, ich nenne sie „Hybride“. Beides verschmilzt miteinander, erst bei genauerer Betrachtung erahnt man den Prozess.

In dem letztlich ein Artefakt entsteht, das als klassische Flachware zu erkennen ist, stille ich damit das Bedürfnis, Malerei als Medium zu erhalten. Auch für mich selbst.

Ich versuche einen reflektierten Technikeuphemismus mit der Liebe zur Tradition zu paaren. Ich führe ich den Rezipienten subtil an die „neuen Möglichkeiten“ heran, ohne „Fingerpointing“.

Damit bin ich auf viel positives Feedback gestoßen.

  • Gesellschaft wird durch ihre Akteure bestimmt, durch Macher und Macherinnen. Zweifellos gehörst Du zu den Hoffnungsträgerinnen einer neuen Generation von Künstlerinnen. In welchem Verhältnis stehst Du zu den Powerfrauen, die sich ihre Anerkennung mitunter mühsam erkämpfen mussten? Gibt es so etwas wie ein gemeinsames Selbst-Bewusstsein?

Ich bin sehr dankbar für die weiblichen Wegbegleiterinnen, die sehr hart für Anerkennung gekämpft haben in einer vermeintlichen Männerdomäne. Die Geschichte behauptet seit jeher, der Alte Meister war männlich.

Meine weiblichen Vorbilder kann ich an einer Hand abzählen. Zu meiner Studienzeit waren diese sehr rar.

Heut zu Tage finde ich sie eher in anderen Bereichen, wie der Gründer:innen Szene.

Wenn ich jetzt sehe, wie viele Professorinnen an den Akademien unterrichten, bin ich sehr froh über die Entwicklung. Auch wenn das erstmals nichts über die Qualität verrät.

Ein gemeinsames Selbstbewusstsein? Im Gegenteil, in der Kunstwelt hat man eher mehr Feinde als Freund: innen. Das ist traurig, aber wahr.

  • Und gibt es das: Frauenpower in der Kunst?

Was auch immer der Begriff meint, es gibt immer mehr Künstlerinnen, die die erfolgreich sind und sich auf dem internationalen Podium behaupten.

Der Markt ist nach wie vor hart, die Konkurrenz schläft nicht. Wohlwollende Künstlerfreunde zu finden ist ein schwieriges Unterfangen. Unter Künstlerinnen umso mehr, aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Ich lasse mich gerne vom Gegenteil überzeugen, denn ich glaube fest daran, dass man zusammen ein viel leichteres Leben hätte und „Frauenpower“ eine kollektive Stärke werden könnte.

  • Pandemien, Krieg, Klimakatastrophe – muss die Kunst sich diesem Trio Infernale stellen und wenn ja, wie? Gibt es Kunst ohne eine Haltung?

Es gibt kein „Muss“ in der Kunst, sie muss – wie Du schon sagtest – frei und das heißt zweckfrei sein. Sie vermag Denkanstöße zu geben, allenfalls das Zeitgeschehen aus einem anderen Blickwinkel zu durchleuchten.

All diese Ereignisse hinter lassen Spuren bei uns Menschen und beeinflussen unsere Haltung zur Welt und zum eigenen Leben. Künstler:innen gehören da auch dazu (lacht).

Da man gezwungermaßen immer aus sich selbst schöpft und rezipiert– schließlich können wir nur selten aus unserer Haut schlüpfen- kann man keine Kunst ohne Haltung produzieren.

Wie hochwertig und aussagekräftig diese dann ist, ist ein anderes Thema.